Samstag, 19. Januar 2019
Rob.
Der Tod ist wieder da.

Dieses Mal hat es Rob getroffen. Lungenkrebs.
Noch kann ich nicht weinen. Die Traurigkeit braucht ihren Raum, bekommt sie ihn nicht, kommt sie auch nicht.

Rob. Der Käptn. Rob war am Meer zuhause. Er hatte ein Hausboot, das er großzügig Gästen überließ. Rob arbeitete auf Bohrinseln als Koch mit seinem weißen Kapitänsbart und den großen braun gebrannten Händen.
Rob liebte Katzen, besonders Mosca (benannt nach einem spanischen Schnaps oder Likör, ich weiß nicht mehr) und Biscui (benannt nach englischem Gebäck), auf die ich aufpasste, wenn er und E. in Deutschland Urlaub machten. Rob war Brite, E. ist Deutsche, ihr Zuhause ist an der spanischen Küste.
Rob half mir meine Angst vorm Englischsprechen zu vergessen. Rob liebte E. abgöttisch. Rob und E. waren, nein bleiben, mein Vorbild in Sachen Liebesbeziehung.

Wie schnell ein ist zum war werden kann.

So viel Wärme zwischen den beiden und Robs Komplimente waren die Schönsten, und ich weiß noch wie ich staunte jedes Mal angesichts der liebevollen Kosenamen, die er für E. erfand.
E. hat erst letztes Jahr ihre Mutter beerdigt. Ach Rob. Ach E. Und ich bin 20.000 km weit weg.

Ich werde weinen können bald, gleich. Wenn meine Mitbewohnerin aus dem Haus ist, wähle ich ein Lied, zünde eine Kerze an, erinnere mich an die Sommerferien bei Rob und E. in Spanien und daran wie Rob mit den Katzen sprach und sie sich an seinen Bart kuschelten.

Rest in peace, dear captain.

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Freitag, 18. Januar 2019
diary, 18. Jan
Die letzte Überschrift ist mir peinlich.

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Eine einsame Woche gehabt, aus Versehen 5 Tage nicht geduscht. Meine Mitbewohnerin fand es nicht so gut, als ich das bemerkte und auch direkt mit ihr teilte. Auch kein Deo benutzt. Ich bin ja nicht den ganzen Tag im Schlafanzug und schlupfe morgens raus, um Deo zu benutzen, und dann wieder rein.

Mein Schweiß riecht anders nach ein paar Tagen, tiefer, würzig, männlicher. Gar nicht übel. Damals in der Mongolei nach 12 Tagen ohne Dusche lernte ich: der Körper regelt das irgendwann von selbst. Nach einer Weile schwitze ich kaum noch oder jedenfalls: ich rieche es nicht mehr. Hat sich aber auch sonst keiner beschwert.

***

Heute 3 Verabredungen gehabt, Projekt: raus aus der Einsamkeit. Lunch mit C, Friseur, dinner mit S. Dann kam aber noch die Nonne dazu.

Auf dem kompletten Weg zu C's Arbeitsplatz unsere Gespräche voraus imaginiert, wie jedes Mal. C macht mich immer noch durchfall-nervös. Zwischendrin, wir lagen dicht nebeneinander auf dem Rücken im Gras, meine Regenjacke unter uns (es war ein Rugbyfeld glaube ich, jedenfalls hatte der Rasen weiße Randstreifen und es sah aus, als würde das abfärben), redete er von Unsicherheiten und Komplexen und ich sagte (endlich): You know how good looking you are, don't you? Und drehte mein Kopf in seine Richtung, wo sein Grinsen immer breiter wurde und die Lachfalten zu Gräben, oh C.
Aber dann wiegelte er nur eine ganze Weile lang ab.

Danach Friseur, die süße Koreanerin, die ich nur so halb verstehe und die in meinen Haaren mehr rupft als schneidet, aber okayer Preis ($60=36€), keine Wartezeiten, gute Lage und Austausch über Auswanderererfahrungen.
-Just shorter, sagte ich. C erzählte ich davor noch von meinen Gedanken einfach den Kopf zu rasieren wie S, the witch, es letztens getan hatte, aber so mutig bin ich nicht, leider.

Auf dem Rückweg zufällig meine Freundin, die Nonne, getroffen.

Seltsam, ich habe jetzt eine Freundin, die Nonne ist (im Probejahr, man muss 6-12 Monate probewohnen im Kloster) und eine Freundin, die eine Hexe ist (ohne Probe, man glaubt ihr das direkt). Jedenfalls hat mich die Nonne dann spontan heim begleitet. Wir haben uns zuletzt am 24.12. an ihrem Geburtstag gesehen. Der letzte Geburtstag, den sie feierte, denn als Nonne feiert man keinen Geburtstag mehr. (Sie ist gerade noch im Weihnachtsurlaub in der Stadt, dann gehts zurück ins Kloster - für immer, aber ich will sie dort besuchen, finde ich ja voll spannend, das alles.)

Und dann kam auch S, the witch, vorbei zum dinner und ich wusste schon, the witch & the nun ist eine gute Kombination. Bestimmt eine halbe Stunde lang sagte ich kein Wort, hörte ihnen nur zu und mümmelte die Wassermelone, die von der Party übrig war.

Sie unterhielten sich über alles und später über Schönheitsideale, insbesondere: Haare. Die Nonne hat erst kürzlich entschieden ihre silbergrauen Haare einfach wachsen zu lassen und the witch hat sich wie gesagt den Kopf rasiert.

Vielleicht färbt sie sich die recht schnell nachwachsenden Haare auch irgendwann purple oder blau, nur so zum Ausprobieren. Wenns ihr nicht gefällt, rasiert sie sie einfach wieder ab - und da lacht sie dreckig - wenn man das einmal hinter sich gebracht hat, hat man nichts mehr zu befürchten.
Das ist doch verrückt, sagte S., 32 Jahre lang hätte sie geglaubt, man könne nur eine Frau sein, wenn man Haare hat.

Ich fasse in meine süßen wilden Locken und bin froh sie zu haben und gleichzeitig traurig, sie zu brauchen.

S wird jetzt häufiger angelächelt und gegrüßt. Ob aus Mitleid (nur Krebskranke und Irre rasieren sich den Kopf) oder weil man sie für eine Nonne hält, eine Heilige, eine Weise - man weiß es nicht.
-Ach, das ist ja witzig, sagte die Nonne mit ihrem prächtigen pechschwarzen Haar mit den Silberstreifen, dass du die Nonnenfrisur hast von uns beiden.

Gute Gespräche mit S auch über Liebesbeziehungen, nachdem die Nonne wieder nach Hause fuhr. Wir kennen uns erst seit Kurzem, 3 Mal gesehen, und schon so viel gelernt.

S' Lache ist sensationell derb. Die Nonne fragte tatsächlich, ob sie sie sich irgendwo abgeschaut hätte und S. antwortete, schon als Kind hätte sie so gelacht, das sei ihr Markenzeichen. Früher, als ich noch Geräusche sammelte, hätte ich sie auf Audiogerät aufgezeichnet.

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Denke weiterhin an C. Einen Grashalm von seinem nackten Fußknöchel gepflückt. Und jetzt hat er per Onlinechat für das Festival abgesagt zu dem wir gehen wollten.

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Dienstag, 15. Januar 2019
St, ich denke immer noch an dich.
Dass ich immer noch an St denke. Habe ihn wieder im Internet gesucht, finde nichts, nichts. Keine Spur von ihm und sein Name ist viel zu gewöhnlich. Ob er auch noch an mich denkt und wenn ja, was? An meinem Geburtstag vielleicht?

Anfang 2018 hatte ich befunden ich dürfte ihm in einem Jahr wieder schreiben. Das hat funktioniert. Wenn er auftauchte in mir, konnte ich mich vertrösten, später, später.

Später ist jetzt und mit Erschrecken stelle ich fest, ich kann gar nichts mehr sagen. Wie fängt man eine solche Nachricht an, und wie sie beenden? Es ist zu viel, es passt nicht in einen Text und auch nicht in einen Spaziergang.

St, ich denke immer noch an dich.

Ob er noch seine neue Freundin hat? Und selbst wenn nicht, wir können nicht da weiter machen, wo es aufgehört hat damals. Wo ich es habe aufhören lassen.

Zu lange kein Kontakt, zu viel Abstand und Leben zwischen uns, das lässt sich nicht mehr aufholen. Ich glaube, das ist es, was so weh tut. Etwas in mir hat endlich verstanden, dass es vorbei ist.

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Und ich stelle mir vor, wie ich ihm auflauere im Merlin. Da rumstehe wie zufällig, mit dem roten Lippenstift. Im Traum ist das erlaubt.

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Montag, 14. Januar 2019
Was schön war [KW 2]
Die Entdeckung des kleinen Strandes bei Waihi. Gefunden durch einen Flyer am Campingplatz (Athenree, merken für Familienbesuch). 45 Minuten Wanderung über Wurzelweg durch Wald am Meer entlang und dann der Strand, abgelegen ohne Straßenzugang. Weißer feiner Sand, schwarzer feiner Sand, knorrige Bäume, große Wellen (zu groß für meinen Geschmack, aber KM hatte seine helle Freude), wenig Menschen, viele Muscheln, ein paar Surfer (wie die wohl die Bretter hergeschleppt haben?), wir blieben den ganzen Tag.

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Die Meditation mit S wie jeden Mittwoch. Herausgefunden, dass ich ihren Namen falsch ausspreche. Wir kennen uns seit einem halben Jahr und sie hat mich nie korrigiert. Sie spricht meinen Namen allerdings auch falsch aus, fällt mir jetzt auf.

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Die Party. Ich war aufgeregt. C und P kamen zuerst, ich hatte gerade noch ein Nickerchen gemacht.
-Are you excited or nervous?
-Nervous.
C sah entsetzt aus.
-Really?! But why? There's no reason to be nervous!
-Okay, I'm nervous and excited.
-What, you are nervous? You need a hug?, fragte P aus der Küche und kam rüber ins Wohnzimmer, P ist sicher 2 Meter 12 groß oder mehr, ich weiß nicht, ein Riese, und hob mich einfach vom Boden hoch und dann legte er mich sanft ab und erklärte, wer im Flur liege, könne nicht nervös sein und kniete sich über mich und fragte ob ich kämpfen wolle, denn wer kämpfe, könne auch nicht nervös sein, und ich hatte natürlich keine Chance, er ist wie Hulk nur stärker und weniger grün, und ich lachte so sehr, dass alles besser war.

P und C bereiteten die Käse-Trauben-Paprika-Sticks zu, das hatte ich nicht mehr geschafft, das Schläfchen war wichtiger, und ich putzte mir derweil die Zähne und schlüfte in mein Schamanenkostüm. Das Motto war MAGIC. Ich trug eine Maske und Federn und viel schwarzen Flatter, dann kam KM und brachte Eyeliner und Musik und dann kamen alle anderen und brachten Kuchen und Salate und Puntsch und Snacks und Geschenke.

KM war als Roy verkleidet, nach dem Tigerunfall, weißes Hemd und überall Blut und das war schon gut, aber dann kam P auch noch als Siegfried, mit einem Tütchen Katzenfutter um den Hals, das den Tiger symbolisierte, und das war super.

Es gab auch Zauberer und Zauberbunnys und fünf kleine Kinder, die im Garten herumsprangen. Die einen fragten was auf Englisch und die anderen antworteten was auf Deutsch und dann guckten sie sich kurz verwirrt an und rannten lachend weiter. Kerikeri, die auch Geburtstag hatte und exakt 30 Jahre älter wurde als ich, brachte Orangenkuchen und eine Umarmung, und alle ihren eigenen Alkohol, das ist hier so üblich, Gottseidank weil wirklich teuer, und dann sangen sie, und Kerikeri und ich pusteten gemeinsam die Kerzen auf dem Rotweinkuchen aus, den P extra für uns gebacken hatte.

Ich schaltete die Gartenlämpchen an, die großen Feigenbäume, die noch größeren Bananen, der kleine Pfirsich hinten und das üppige Tomatenbeet fielen in warmes Licht und manche saßen draußen und manche drinnen und die Kinder rannten um mein Zelt, in dem ich die Nacht davor geschlafen hatte.

Ich wollte meinen Geburtstag nämlich in der Natur beginnen (und wachte um 5 mit Rückenschmerzen auf, ich hatte es mir irgendwie romantisch-gemütlicher vorgestellt).

Und dann war mit einem Wimpernschlag auch schon alles vorbei und um Mitternacht gingen die letzten bis auf KM.

Es war ganz anders als alle anderen Parties, die erst spät anfingen und irgendwann morgens endeten, wo alle tranken und tanzten und kreischten und man das gute Geschirr wegstellte und die Nachbarn informieren musste und es Matratzenlager gab und man vorm Schlafen zusammen aufräumte und manchmal sogar frühstückte und es draußen schneite oder regnete (und einmal die Abwasserrohre zugefroren waren und ich am Wochenende abends noch den Klempner anrief, aber sie MÜSSEN kommen, ich habe doch Geburtstag!, und er dann auch tatsächlich kam und die Party rettete).

Es war mein erster Geburtstag im Sommer.

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Mein Spaziergang als KM am nächsten Abend wieder nach Hause fuhr, am Hafen entlang im Sonnenuntergang, rüber zu meinem Baum, dem ich den Arm um die Hüfte legte und mich trösten ließ.

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Donnerstag, 2. August 2018
diary, 29. July
Fotografiere mich, früh am Morgen, jung und wild, im Zimmer meiner noch jüngeren Beute. Er ist schon weg, mit Stofftasche und Saxophon.

Erinnerungsfetzen.

// I need to leave at 8, I have a rehearsal tomorrow morning // I never went home with someone I just met at a party // What are the three most important things in your life? - I don't know, oxygen probably, sleep then? Feeling connected, the normal I guess. That's a pretty unusual question. - Sorry, I'm not good at small talk. // We're almost there, it's just behind the hill. // Do you want to use my toothbrush? //

Bevor er geht, reicht er mir Tee und Apfelschnitze nach oben. Ich lehne mich vom Hochbett runter, er auf der untersten Leitersprosse, streckt sich, schwankt, verbrüht sich die Hand.

Überm Schreibtisch hängt sein Stundenplan. Lab, Chemistry, RUN, Acro (mit Bleistift), Exam. Ich dusche, benutze sein Deo und mache das Bett.

Nebenan das Wohnzimmer mit Kamin und Couch, auf die er mich gezogen hat noch gar nicht lange her, dann das Esszimmer mit dem gigantischen Holztisch, Wand aus Glas, dann die Küche mit Ökospülmittel und zwei Mitbewohner machen Frühstück.
Der eine nach einer ganzen Weile: I haven’t seen you in this flat so far...
Oh yes, I met J. yesterday at a concert.

Heimweg, ich auf dem Hügel, Schritt für Schritt beschwingt, unter mir das Meer. Knallsonne, knallblaues Wasser, knallrote Container, die Kräne, der Hafen, der Wind, der plötzlich schwarze Himmel. Schminkreste im Augenwinkel, das Kleid ist zu kurz für Sonntagmittag und die Welt liegt mir zu Füßen. Nachmittags erschöpft und zittrig, abends unwohl, Schuld, Scham, Ekel, sein Gesicht als er kam, und wer ist das überhaupt, dieser Typ?

***

Am nächsten Tag schreibt er, ob wir uns auf einen Kaffee treffen. Ich gehe hin, er sieht gut aus, viel besser noch als gestern, lädt mich auf Pizza ein, hält mir die Tür auf, ist Vegetarier, Musiker, hat Angst vor Fallschirmspringen, küsst mich zum Abschied.

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