Montag, 17. April 2023
Bumble II
nuff, 01:25h
Am nächsten Tag will ich mein Profil wieder löschen, aber dann steht da, es gab ein Match. Noch 15h Zeit zum Antworten. Oh man. Er sieht schon ein bisschen aus wie A und hat Style wie M. Ok. Ich schreibe ihn an, er schreibt zurück, ich schreibe zurück, er schreibt zurück. Ich mache einen Spaziergang und merke, wie mein Geist um ihn kreist. Das stört mich.
Zurück am PC schreibe ich, dass sich das nicht gut anfühlt, hier zig Nachrichten hin und her, das zieht sich ja ewig hin, sorry. Damit ist das erledigt, denke ich, aber dann schreibt er, man könne hier auch telefonieren und ruft an.
Wir telefonieren 1,5h. Lasse mich mitreißen. Reisegeschichten, lustig, interessant, ein A-Typ, gute Unterhaltung. Dann schaffe ich den Absprung nicht, dabei habe ich Hunger und es ist schon spät. Zum Schluss sagt er, er würde gerne wieder mit mir telefonieren.
Uff. Der Abend wird nicht mehr gut, bin innerlich unruhig, gehe viel zu spät ins Bett.
Wieso habe ich ihn überhaupt geliked? Weil er mich an A und M erinnert, weil ich A und M mag. Ich orientiere mich an dem, was mir vertraut ist. Aber das bin ich nun nicht mehr. Sonst könnte ich doch gleich beim echten A und echten M bleiben.
Ich bin anders geworden. Ich muss nicht mehr um die Welt reisen und mir beweisen, was ich alles kann.
Nach was also suchen? Was sind die Kriterien? Was spricht mich an?
Ich klicke mich weiter durch Profile.
Nichts.
Die alten Muster sinds nicht mehr. Und neue gibts noch nicht.
K aus Neuseeland, he took me by surprise.
So wird es wieder sein, glaub ich.
Keiner, den ich nach meinen alten Kriterien attraktiv finde. Einer, der mich überrascht. Einer, der mich neu kennenlernen lässt.
Ich bin eigentlich ganz gespannt, wer als nächstes kommt. Vielleicht einer, der jünger ist als ich? Der weniger besitzt als ich? Einer, der nicht nur eine Partnerin sucht, sondern ein Gegenüber mit dem er wirklich wachsen kann? Einer, der ganz anders aussieht als A und M und St oder K.
Oder eine Frau, das wäre am überraschensten.
M, dem ich am Telefon erzähle (schließlich hatte er mir Bumble ja empfohlen) sagt, ich könnte doch in der Zwischenzeit trotzdem eine schöne Zeit haben mit dem Telefondate. Einfach mal schauen, wohin das führt. Nein. Das führt nirgendwohin als in etwas, was ich nicht mehr will.
Also bye Bumble. 24h angemeldet, einige Erkenntnisse, hat sich doch gelohnt.
Zurück am PC schreibe ich, dass sich das nicht gut anfühlt, hier zig Nachrichten hin und her, das zieht sich ja ewig hin, sorry. Damit ist das erledigt, denke ich, aber dann schreibt er, man könne hier auch telefonieren und ruft an.
Wir telefonieren 1,5h. Lasse mich mitreißen. Reisegeschichten, lustig, interessant, ein A-Typ, gute Unterhaltung. Dann schaffe ich den Absprung nicht, dabei habe ich Hunger und es ist schon spät. Zum Schluss sagt er, er würde gerne wieder mit mir telefonieren.
Uff. Der Abend wird nicht mehr gut, bin innerlich unruhig, gehe viel zu spät ins Bett.
Wieso habe ich ihn überhaupt geliked? Weil er mich an A und M erinnert, weil ich A und M mag. Ich orientiere mich an dem, was mir vertraut ist. Aber das bin ich nun nicht mehr. Sonst könnte ich doch gleich beim echten A und echten M bleiben.
Ich bin anders geworden. Ich muss nicht mehr um die Welt reisen und mir beweisen, was ich alles kann.
Nach was also suchen? Was sind die Kriterien? Was spricht mich an?
Ich klicke mich weiter durch Profile.
Nichts.
Die alten Muster sinds nicht mehr. Und neue gibts noch nicht.
K aus Neuseeland, he took me by surprise.
So wird es wieder sein, glaub ich.
Keiner, den ich nach meinen alten Kriterien attraktiv finde. Einer, der mich überrascht. Einer, der mich neu kennenlernen lässt.
Ich bin eigentlich ganz gespannt, wer als nächstes kommt. Vielleicht einer, der jünger ist als ich? Der weniger besitzt als ich? Einer, der nicht nur eine Partnerin sucht, sondern ein Gegenüber mit dem er wirklich wachsen kann? Einer, der ganz anders aussieht als A und M und St oder K.
Oder eine Frau, das wäre am überraschensten.
M, dem ich am Telefon erzähle (schließlich hatte er mir Bumble ja empfohlen) sagt, ich könnte doch in der Zwischenzeit trotzdem eine schöne Zeit haben mit dem Telefondate. Einfach mal schauen, wohin das führt. Nein. Das führt nirgendwohin als in etwas, was ich nicht mehr will.
Also bye Bumble. 24h angemeldet, einige Erkenntnisse, hat sich doch gelohnt.
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Sonntag, 16. April 2023
Bumble
nuff, 14:51h
Ich klicke mich durch die Gesichter und Profile. So viele Menschen. Die irgendwas suchen, irgendwas wollen, Verbindung, Liebe, Sex.
Verschiedene Formen, Augen, Ohren, den Haarausfall unter der Cap verborgen, professionelle Portraits, in Action auf dem Skateboard, im Anzug, in der Badehose.
Ich klicke mich durch und bin unruhig, werde immer schneller. Ein Bild nach dem anderen, keine Pause, klick klick klick klick. Ich klicke immer auf "Nein". Manche Profile studiere ich genau. Wenn einer aussieht wie A oder M oder St. Bei St's bekomme ich Herzklopfen. Fast klicke ich bei einem St auf "Ja", aber der wäre ja nur ein Ersatz.
Sogar M's tatsächliches Profil wird mir angezeigt. Auch ein anderer, den ich aus dem echten Leben kenne. Mein Filter ist Männer 34-48 Jahre, deutschlandweit, unter 1,80.
Erst als ich auf Frauenprofile wechsle, entspanne ich mich. Alle Erwartungen lösen sich auf. Aber eine Frau zu daten, das traue ich mich nicht.
Zwei, drei Mal klicke ich nun doch auf "Ja". Bei A/M-Mischungen. Dann logge ich mich aus.
Ich will ja gar keinen M oder A oder St mehr haben. Wenn ich mit einem M oder A oder St zusammen sein wollte, dann doch mit dem Original, nicht mit einem Doppelgänger. Und die Originale, die passen nicht mehr.
A, der schöne A, und das bürgerliche Leben. Hat mich bedingungslos geliebt.
M, älter als ich, Entscheider, Macher, Mentor, mit Bindungsangst. Gefühlebarometer rauf und runter.
St, so lustig, sanft, auf der Suche, offenes Herz, Burning Man und deep talk. Für ihn war ich nicht bereit.
Und dann natürlich K aus Neuseeland. Aber K habe ich nicht ausgesucht, K ist mir einfach so passiert. Von ihm lernte ich, dass auch ein Typ, der gar nicht mein Typ ist, ganz genau richtig sein kann.
Jeder war richtig, zu seiner Zeit. Die Zeit ist vorbei. Außer St, St schwebt noch im Raum. Das macht mich traurig. Das muss ich noch lösen, sonst schlepp ich diese unerfüllte Liebe in jede neue Beziehung rein.
Verschiedene Formen, Augen, Ohren, den Haarausfall unter der Cap verborgen, professionelle Portraits, in Action auf dem Skateboard, im Anzug, in der Badehose.
Ich klicke mich durch und bin unruhig, werde immer schneller. Ein Bild nach dem anderen, keine Pause, klick klick klick klick. Ich klicke immer auf "Nein". Manche Profile studiere ich genau. Wenn einer aussieht wie A oder M oder St. Bei St's bekomme ich Herzklopfen. Fast klicke ich bei einem St auf "Ja", aber der wäre ja nur ein Ersatz.
Sogar M's tatsächliches Profil wird mir angezeigt. Auch ein anderer, den ich aus dem echten Leben kenne. Mein Filter ist Männer 34-48 Jahre, deutschlandweit, unter 1,80.
Erst als ich auf Frauenprofile wechsle, entspanne ich mich. Alle Erwartungen lösen sich auf. Aber eine Frau zu daten, das traue ich mich nicht.
Zwei, drei Mal klicke ich nun doch auf "Ja". Bei A/M-Mischungen. Dann logge ich mich aus.
Ich will ja gar keinen M oder A oder St mehr haben. Wenn ich mit einem M oder A oder St zusammen sein wollte, dann doch mit dem Original, nicht mit einem Doppelgänger. Und die Originale, die passen nicht mehr.
A, der schöne A, und das bürgerliche Leben. Hat mich bedingungslos geliebt.
M, älter als ich, Entscheider, Macher, Mentor, mit Bindungsangst. Gefühlebarometer rauf und runter.
St, so lustig, sanft, auf der Suche, offenes Herz, Burning Man und deep talk. Für ihn war ich nicht bereit.
Und dann natürlich K aus Neuseeland. Aber K habe ich nicht ausgesucht, K ist mir einfach so passiert. Von ihm lernte ich, dass auch ein Typ, der gar nicht mein Typ ist, ganz genau richtig sein kann.
Jeder war richtig, zu seiner Zeit. Die Zeit ist vorbei. Außer St, St schwebt noch im Raum. Das macht mich traurig. Das muss ich noch lösen, sonst schlepp ich diese unerfüllte Liebe in jede neue Beziehung rein.
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Mittwoch, 9. November 2022
Tagebuch, 08. November 2022
nuff, 01:03h
Früher war das mit dem Tagebuchschreiben leichter, oder kommt mir das nur so vor?
Ich glaube, ich habe wieder von meiner Schwester geträumt oder der Familie, alte Gemäuer, alte Geister.
Am schwierigsten ist es, wenn ich von der Arbeit nach Hause komme oder nachdem ich Yoga gemacht habe, und dann da diese Leere ist.
Ich zünde ein Teelicht an, zum zweiten Mal in den letzten Tagen und denke an Matthias, den ich gerne als Erwachsene kennengelernt hätte. Wie er wohl gewesen wäre, wie er wohl geworden wäre und unsere Beziehung zueinander?
Ich glaube, ich hätte ihn sehr gemocht. Vielleicht hätte es sogar Familientreffen gegeben. Alle sagen, er wäre ganz besonders gewesen. Vielleicht sagt man das immer, wenn jemand so jung stirbt.
Ich erinnere mich, wie seine ehemalige Lehrerin die Tränen zurückhalten musste als das Gespräch auf ihn kam, das war bei einer Hochzeit, da war ich sicher schon Mitte 20, es war also schon 13 Jahre her. Diese Reaktion hat mich irritiert.
Er war wohl ein sehr guter Sportler, ich weiß aber gar nicht in was, Leichtathletik, Fußball?
Ich weiß, dass er mich mochte als Kind. Ich erinnere mich an das Video auf VHS-Kassette mit uns als Kindern. Das würde ich gerne nochmal sehen. Papa hat es bestimmt noch irgendwo in der Sammlung.
Ich glaube, er war auch ein Sonderling, im Sinne von besonders. Viel mehr vernetzt als ich, beliebt, aber auch auffällig, anders als die anderen. Gerade kommt mir der Gedanke, dass das, was ich in meinem Leben als Trennung wahrnehme, - ich und die anderen, die anderen gegen mich - das, was mich so einsam macht, dass das gar nicht per se schlecht sein muss. Besonders sein muss gar nicht schlecht sein.
Auf der Hochzeit wurde immer wieder von ihm erzählt, ich hörte das so im Vorbeigehen und an den Nebentischen. Er hatte so etwas, dass man gern in seiner Gegenwart war. Etwas leichtes, aber auch etwas ernstes, etwas besonderes. Es gibt ja solche Menschen.
Wen gibt es da?
June fällt mir ein, meine Freundin aus dem Vipassana-Kurs in Neuseeland. Mit Sue, der Nonne war es auch immer schön. Menschen, die ihren Weg gefunden haben.
Woher hatte er das nur? Vielleicht, weil seine Mutter so früh gestorben war, weil er anders auf das Leben schaute, weniger selbstverständlich. Ich habe das Gefühl, er hat früh, mit elf, zwölf Jahren, so alt war auch ich als er starb, etwas verstanden vom Leben. Und er hat es ihm verziehen. Ich glaube, Matthias hat dem Leben verziehen, dass es seine Mutter genommen hat. Ich habe dem Leben lange nicht verziehen, dass es uns Matthias genommen hat.
Es ist schon seltsam. Jetzt wohne ich hier in dieser Stadt, in der ich immer noch kaum jemanden kenne, bin allein in der kalten Wohnung, einsam in aller Deutlichkeit, und wenn ich an ihn denke, ist alles doch irgendwie ok. Es tröstet mich, dass es ihn in unserem Leben gab und es tröstet mich, dass es ihn in solchen Momenten immer noch für mich gibt.
Ich lasse das Teelicht noch ein bisschen brennen.
Ich glaube, ich habe wieder von meiner Schwester geträumt oder der Familie, alte Gemäuer, alte Geister.
Am schwierigsten ist es, wenn ich von der Arbeit nach Hause komme oder nachdem ich Yoga gemacht habe, und dann da diese Leere ist.
Ich zünde ein Teelicht an, zum zweiten Mal in den letzten Tagen und denke an Matthias, den ich gerne als Erwachsene kennengelernt hätte. Wie er wohl gewesen wäre, wie er wohl geworden wäre und unsere Beziehung zueinander?
Ich glaube, ich hätte ihn sehr gemocht. Vielleicht hätte es sogar Familientreffen gegeben. Alle sagen, er wäre ganz besonders gewesen. Vielleicht sagt man das immer, wenn jemand so jung stirbt.
Ich erinnere mich, wie seine ehemalige Lehrerin die Tränen zurückhalten musste als das Gespräch auf ihn kam, das war bei einer Hochzeit, da war ich sicher schon Mitte 20, es war also schon 13 Jahre her. Diese Reaktion hat mich irritiert.
Er war wohl ein sehr guter Sportler, ich weiß aber gar nicht in was, Leichtathletik, Fußball?
Ich weiß, dass er mich mochte als Kind. Ich erinnere mich an das Video auf VHS-Kassette mit uns als Kindern. Das würde ich gerne nochmal sehen. Papa hat es bestimmt noch irgendwo in der Sammlung.
Ich glaube, er war auch ein Sonderling, im Sinne von besonders. Viel mehr vernetzt als ich, beliebt, aber auch auffällig, anders als die anderen. Gerade kommt mir der Gedanke, dass das, was ich in meinem Leben als Trennung wahrnehme, - ich und die anderen, die anderen gegen mich - das, was mich so einsam macht, dass das gar nicht per se schlecht sein muss. Besonders sein muss gar nicht schlecht sein.
Auf der Hochzeit wurde immer wieder von ihm erzählt, ich hörte das so im Vorbeigehen und an den Nebentischen. Er hatte so etwas, dass man gern in seiner Gegenwart war. Etwas leichtes, aber auch etwas ernstes, etwas besonderes. Es gibt ja solche Menschen.
Wen gibt es da?
June fällt mir ein, meine Freundin aus dem Vipassana-Kurs in Neuseeland. Mit Sue, der Nonne war es auch immer schön. Menschen, die ihren Weg gefunden haben.
Woher hatte er das nur? Vielleicht, weil seine Mutter so früh gestorben war, weil er anders auf das Leben schaute, weniger selbstverständlich. Ich habe das Gefühl, er hat früh, mit elf, zwölf Jahren, so alt war auch ich als er starb, etwas verstanden vom Leben. Und er hat es ihm verziehen. Ich glaube, Matthias hat dem Leben verziehen, dass es seine Mutter genommen hat. Ich habe dem Leben lange nicht verziehen, dass es uns Matthias genommen hat.
Es ist schon seltsam. Jetzt wohne ich hier in dieser Stadt, in der ich immer noch kaum jemanden kenne, bin allein in der kalten Wohnung, einsam in aller Deutlichkeit, und wenn ich an ihn denke, ist alles doch irgendwie ok. Es tröstet mich, dass es ihn in unserem Leben gab und es tröstet mich, dass es ihn in solchen Momenten immer noch für mich gibt.
Ich lasse das Teelicht noch ein bisschen brennen.
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Donnerstag, 3. November 2022
Tagebuch, 03. November 2022
nuff, 19:29h
Ach, warum nicht?
Warum nicht hier rein schreiben, wie es heute ist.
Seit M mir das GIF mit der Umarmung geschickt hat und ich weinen konnte, geht es wieder besser.
Bin erschöpft.
Von den Gefühlen und vom Funktionieren.
Gedanken um meinen Vater wabern im Hintergrund. Die zweite TIA hat mir den Boden weggerissen, ich verliere meinen Papa, das war das Gefühl. Jetzt hat er Covid, seit gestern wahrscheinlich, meine Mutter hat ihn angesteckt. So richtig zu Bewusstsein kommt es aber nur ab und zu. Kurz die Überlegung, anzurufen, aber dann doch keine Energie dafür.
Gestern beim Mittelbautreffen von meinem neuen Angebot für die Studierenden erzählt und mich verheddert, viel mehr geredet als angemessen, und vor allem viel mehr angeboten als ich leisten kann.
Mir dabei irgendwie auch noch selber zugehört, konnte es aber nicht stoppen.
M geschrieben, ich habe das Gefühl, ich kann nur verlieren. Entweder ich passe mich an die Mehrheit an, an die Erwartungen der Leute, die halt NORMAL sind - und fühle mich mit mir selbst scheiße. Oder ich handle nach meinem Empfinden - und bleibe allein, abgelehnt und immer die, die so komisch ist.
Ich merke sehr genau, wenn mich die Leute komisch finden.
In Neuseeland war es anders. Dort konnte ich in aller Ruhe autistisch sein. Na gut, im Tanzkurs usw. war es schwierig. Aber socialisen war ok. Es gab trotzdem genug Ruhe, genug Meer, Bäume, Sand.
Ich mochte mich.
Ich war gerne mit mir zusammen.
Die Erschöpfungszustände konnte ich durch den Heiler, die Vipassana-Kurse und Meditation auffangen. Und durch Menschen, die mich in meiner ganzen schrägen Andersartigkeit mochten und schätzen.
Ich überlege seit Wochen wieder mehr, ob ich mich offiziell testen lassen soll. Was das für Folgen hätte. Habe den tollen Text von von Buddenbohms Herzdame und Patsy Jones über ADHS gelesen.
Stelle es mir wie eine große Erleichterung vor, einerseits. Vielleicht hilft es mir aus dieser ganzen Anpassungsscheiße rauszukommen, die meinen Alltag an der Uni bestimmt. Aber ich muss es den Leuten dann ja auch erzählen, damit sich etwas ändert - oder reicht es, wenn sich - vielleicht - in mir etwas ändert?
Gestern A am Telefon erzählt, dass ich wieder alle online Tests gemacht habe und überlege, zum Arzt zu gehen.
-Musst du nicht, sagte der lachend, das kann ich dir auch so sagen.
Ach, A. Der einzige, der meinen Alltag viele Jahre miterlebt hat. Und kaum einer hat mich so geliebt. Wenn ich damals in unserer Wohnung einen der breakdowns hatte, nahm er mich in den Arm, streichelte mir über den Rücken und sagte "Ach, mein kleiner Autist...".
Ohne wirklich zu wissen, was das heißt. Wir haben nie richtig darüber gesprochen, warum ich vieles so anders empfinde. War auch nicht nötig irgendwie, er hats verstanden und angenommen und wenn gar nichts mehr ging, mich gehalten und gesagt "Ach, mein kleiner Autist..." Das hieß: Ich sehe dich, ich verstehe dich, ich liebe dich trotzdem.
Jetzt kommen wieder die Tränen.
Das ist viele Jahre her. A wohnt in Hamburg, weit weg. Alle wohnen woanders, weit weg.
Den alleranstrengensten Job habe ich mir ausgesucht. Die Doktorarbeit ist meine Leidenschaft, ja. Über die Forschung kann ich stundenlang reden, ja. Ich liebe das Lesen, das Denken, die Analyse, das Spiel mit der Sprache. Aber ich komme ja kaum dazu.
Wegen der Menschen, die da auch sind. Die Profs, die ganzen Kollegen, das Verwaltungssystem, die scheiß E-Mails und die mega-scheiß Tagungen, Versammlungen und Meetings.
Es kostet so viel Energie. Die fehlt für mich, die Diss, das schöne Leben, das mir dauernd abhanden kommt.
Wenig Energie, aber Zeit kosten die zig Anfragen der Studierenden, denen es auch nicht gut geht. Die weinend in meinem Büro sitzen und sagen, sie schaffens einfach nicht.
Letztens sagte eine mit klarer heller Stimme: "Wissen Sie, ich bin NICHT dumm! Ich weiß, dass ich nicht dumm bin! Aber in meinem Kopf rasen tausend Gedanken." Sie hat eine ADHS-Diagnose und quält sich seit Jahren durch das Studium.
Ein anderer hat jetzt endlich einen Therapieplatz und übt sich in kleinen Schritten, realistischen Zeitplänen, Ruhepausen.
Die dritte schreibt ein paar Tage nach der Sprechstunde "Liebe Frau N, zuerst möchte ich mich nochmal ganz herzlich bei Ihnen für den letzten
Termin bedanken. Der Einstieg in das neue Semester ist mir anschließend gefühlt viel leichter gefallen. Wirklich vielen Dank für Ihren empathischen Input!"
Tja.
Gerne.
I feel you.
I feel you all.
Und es ist auch alles bisschen viel für mich.
-Du bist so wichtig für die, sagt M. Du hast dich allein da durchgebissen und hilfst jetzt jungen Menschen zu wachsen.
Ja. Ich habe mich durchgebissen, Diplom, Master - jetzt die Doktorarbeit. Fachlich war das kein Thema, ist es auch immer noch nicht. Aber ich hatte Freunde in meiner Nähe, die jetzt nicht mehr da sind.
Jetzt sind da Menschen, die erwarten, dass ich funktioniere. Ich bin gut geübt in mich reinzwingen, passend machen. Aber es ist zu viel. Und immer wieder diese Meetings, in denen ich auffalle wie ein verdammter, tja --- kleiner Autist --- und mich danach tagelang schäme.
Es fällt mir sehr schwer, das anzunehmen, wenn keiner bei mir ist, der es gut mit mir meint.
Mir ist schon klar, dass ich mir das selbst geben können sollte. Mir selbst eine Freundin sein. Not that easy. Ein echte Umarmung würde helfen.
Jetzt läuft Something Good von alt-j.
Belassen wir es für heute dabei.
Warum nicht hier rein schreiben, wie es heute ist.
Seit M mir das GIF mit der Umarmung geschickt hat und ich weinen konnte, geht es wieder besser.
Bin erschöpft.
Von den Gefühlen und vom Funktionieren.
Gedanken um meinen Vater wabern im Hintergrund. Die zweite TIA hat mir den Boden weggerissen, ich verliere meinen Papa, das war das Gefühl. Jetzt hat er Covid, seit gestern wahrscheinlich, meine Mutter hat ihn angesteckt. So richtig zu Bewusstsein kommt es aber nur ab und zu. Kurz die Überlegung, anzurufen, aber dann doch keine Energie dafür.
Gestern beim Mittelbautreffen von meinem neuen Angebot für die Studierenden erzählt und mich verheddert, viel mehr geredet als angemessen, und vor allem viel mehr angeboten als ich leisten kann.
Mir dabei irgendwie auch noch selber zugehört, konnte es aber nicht stoppen.
M geschrieben, ich habe das Gefühl, ich kann nur verlieren. Entweder ich passe mich an die Mehrheit an, an die Erwartungen der Leute, die halt NORMAL sind - und fühle mich mit mir selbst scheiße. Oder ich handle nach meinem Empfinden - und bleibe allein, abgelehnt und immer die, die so komisch ist.
Ich merke sehr genau, wenn mich die Leute komisch finden.
In Neuseeland war es anders. Dort konnte ich in aller Ruhe autistisch sein. Na gut, im Tanzkurs usw. war es schwierig. Aber socialisen war ok. Es gab trotzdem genug Ruhe, genug Meer, Bäume, Sand.
Ich mochte mich.
Ich war gerne mit mir zusammen.
Die Erschöpfungszustände konnte ich durch den Heiler, die Vipassana-Kurse und Meditation auffangen. Und durch Menschen, die mich in meiner ganzen schrägen Andersartigkeit mochten und schätzen.
Ich überlege seit Wochen wieder mehr, ob ich mich offiziell testen lassen soll. Was das für Folgen hätte. Habe den tollen Text von von Buddenbohms Herzdame und Patsy Jones über ADHS gelesen.
Stelle es mir wie eine große Erleichterung vor, einerseits. Vielleicht hilft es mir aus dieser ganzen Anpassungsscheiße rauszukommen, die meinen Alltag an der Uni bestimmt. Aber ich muss es den Leuten dann ja auch erzählen, damit sich etwas ändert - oder reicht es, wenn sich - vielleicht - in mir etwas ändert?
Gestern A am Telefon erzählt, dass ich wieder alle online Tests gemacht habe und überlege, zum Arzt zu gehen.
-Musst du nicht, sagte der lachend, das kann ich dir auch so sagen.
Ach, A. Der einzige, der meinen Alltag viele Jahre miterlebt hat. Und kaum einer hat mich so geliebt. Wenn ich damals in unserer Wohnung einen der breakdowns hatte, nahm er mich in den Arm, streichelte mir über den Rücken und sagte "Ach, mein kleiner Autist...".
Ohne wirklich zu wissen, was das heißt. Wir haben nie richtig darüber gesprochen, warum ich vieles so anders empfinde. War auch nicht nötig irgendwie, er hats verstanden und angenommen und wenn gar nichts mehr ging, mich gehalten und gesagt "Ach, mein kleiner Autist..." Das hieß: Ich sehe dich, ich verstehe dich, ich liebe dich trotzdem.
Jetzt kommen wieder die Tränen.
Das ist viele Jahre her. A wohnt in Hamburg, weit weg. Alle wohnen woanders, weit weg.
Den alleranstrengensten Job habe ich mir ausgesucht. Die Doktorarbeit ist meine Leidenschaft, ja. Über die Forschung kann ich stundenlang reden, ja. Ich liebe das Lesen, das Denken, die Analyse, das Spiel mit der Sprache. Aber ich komme ja kaum dazu.
Wegen der Menschen, die da auch sind. Die Profs, die ganzen Kollegen, das Verwaltungssystem, die scheiß E-Mails und die mega-scheiß Tagungen, Versammlungen und Meetings.
Es kostet so viel Energie. Die fehlt für mich, die Diss, das schöne Leben, das mir dauernd abhanden kommt.
Wenig Energie, aber Zeit kosten die zig Anfragen der Studierenden, denen es auch nicht gut geht. Die weinend in meinem Büro sitzen und sagen, sie schaffens einfach nicht.
Letztens sagte eine mit klarer heller Stimme: "Wissen Sie, ich bin NICHT dumm! Ich weiß, dass ich nicht dumm bin! Aber in meinem Kopf rasen tausend Gedanken." Sie hat eine ADHS-Diagnose und quält sich seit Jahren durch das Studium.
Ein anderer hat jetzt endlich einen Therapieplatz und übt sich in kleinen Schritten, realistischen Zeitplänen, Ruhepausen.
Die dritte schreibt ein paar Tage nach der Sprechstunde "Liebe Frau N, zuerst möchte ich mich nochmal ganz herzlich bei Ihnen für den letzten
Termin bedanken. Der Einstieg in das neue Semester ist mir anschließend gefühlt viel leichter gefallen. Wirklich vielen Dank für Ihren empathischen Input!"
Tja.
Gerne.
I feel you.
I feel you all.
Und es ist auch alles bisschen viel für mich.
-Du bist so wichtig für die, sagt M. Du hast dich allein da durchgebissen und hilfst jetzt jungen Menschen zu wachsen.
Ja. Ich habe mich durchgebissen, Diplom, Master - jetzt die Doktorarbeit. Fachlich war das kein Thema, ist es auch immer noch nicht. Aber ich hatte Freunde in meiner Nähe, die jetzt nicht mehr da sind.
Jetzt sind da Menschen, die erwarten, dass ich funktioniere. Ich bin gut geübt in mich reinzwingen, passend machen. Aber es ist zu viel. Und immer wieder diese Meetings, in denen ich auffalle wie ein verdammter, tja --- kleiner Autist --- und mich danach tagelang schäme.
Es fällt mir sehr schwer, das anzunehmen, wenn keiner bei mir ist, der es gut mit mir meint.
Mir ist schon klar, dass ich mir das selbst geben können sollte. Mir selbst eine Freundin sein. Not that easy. Ein echte Umarmung würde helfen.
Jetzt läuft Something Good von alt-j.
Belassen wir es für heute dabei.
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Donnerstag, 5. Mai 2022
Tagebuch, 4. Mai
nuff, 01:19h
Ich muss erstmal wieder rausfinden, wie der Bloglink lautet und dann, wie ich einen Eintrag schreiben kann. Lange nicht hier gewesen. Alle alten Einträge gelesen. Hierher gekommen, weil mich ein Text bewegt hat. Er steht im newyorker und lautet ghosts at the liquor store.
Ich möchte keine links setzen, weil es sich nicht passend anfühlt verlinkt zu sein, verbunden mit der Welt. Der Text und Musik - es läuft I heart Sharks - berühren etwas in mir, eine Erinnerung ans Leben. Ans Schreiben auch. Früher habe ich geschrieben an Tagen wie heute.
Lang geschlafen und trotzdem zu kurz. Um 12 Uhr war Mittelbautreffen, um 14 Uhr Institutsversammlung. Vor zwei Jahren fühlte ich mich dort bloß gestellt und seither bin ich nervös bei jedem dieser Treffen, besonders, wenn ich etwas präsentieren muss oder will, so wie heute.
Es lief alles gut, sogar positive Rückmeldungen und anschließender E-Mail-Austausch mit einer neuen Kollegin. Danach dann aber nicht: Mittagessen nachgeholt, draußen gewesen, spazieren, oder aufgeräumt, Haushalt, Ablage, sondern im Internet versumpft. Youtube vor allem und dann auch noch Facebook.
Dort war ich auch lange nicht. Auf der Startseite hauptsächlich posts von meinen Freunden in Neuseeland. Ich klicke sie durch, lese nach, gehe dann auch auf die Seite von KM, um zu schauen, ob es inzwischen ein Update gibt, vielleicht ein Foto von seiner neuen Freundin. Es sind aber immer noch die alten Bilder von vor zwei Jahren.
Dann lande ich auch bei St, natürlich.
Später sitze ich in der Küche, weiterhin unfähig zu essen, obwohl ich sogar mit dem Kochen anfange, Nudeln koche, eine Zweibel schneide. Ich telefoniere kurz mit M, wir geben es dann aber wieder auf. (Ich weiß grad nicht, ob wir uns gut tun, ich bin down, keine Energie für gute Stimmung, du? - Nee, leider auch nicht und ich will gleich noch raus. - Also dann, bis nachher vielleicht nochmal? - Ja. Bis dann. Alles Gute dir.)
Dann lese ich auf dem Handy in den alten Lieblingsblogs, vor allem bei hotelmama.it, wo der Text im newyorker verlinkt ist.
Jetzt ist schon nach 23 Uhr. Immer noch nicht Mittag gegessen, die geschnittene Zwiebel auf dem Brettchen riecht scharf.
Es ist seltsam hier in meinem alten Leben nachzulesen. Ich wundere mich, dass das in Neuseeland auch mein Leben war, dass das dazu gehört, und das in Spanien, überhaupt all die Reisen, mal hier und dort erwähnt.
Damals noch ohne Scham umhergeflogen, viel getrampt, das auch, und mehrere Flüge im Jahr.
Diese Woche hat E. geschrieben, ob wir bald wieder telefonieren. Sie lebt immer noch in Spanien, wo ich manchmal katzensitten war, aber in einer anderen Wohnung, die ich noch nicht kenne, und ohne Rob. Ich war nicht da seit er gestorben ist. Und auch nur zwei, dreimal telefoniert in den letzten Jahren.
Letzte Woche hatte ich darüber nachgedacht, nach Spanien zu fliegen. Es war immer mein Zufluchtsort, wenn ich mit mir allein sein wollte, aber im Guten. Innehalten, mich auseinandersetzen mit mir (naja, und auch das ein oder andere Abenteuer durch Begegnungen, wie mit dem Wolf am Hafen oder, ganz früher, auf Partys in Barcelona).
Es fühlt sich nicht richtig an. Nicht nur wegen Klima und Krieg und es mir vermessen vorkommt, alles auszublenden und in gute Orte der Vergangenheit zu reisen. Auch weil es nicht mehr zu mir passt, vielleicht.
Ich wäre gerne mit mir in Kontakt und noch lieber würde ich herausfinden, was wirklich - wirklich - mein Ding ist. Was mich erfüllt. Was mich sprachlos macht, weil ich ganz, ganz im Jetzt bin. Verbunden mit mir UND der Welt.
Mir fällt als erstes ein, wie ich damals in der kleinen Bucht, wo auch der Wolf auf seinem Hausboot wohnt, zum ersten Mal auf dem Surfbrett stand. Ganz unverhofft, einfach aufgestanden und die Welle gesurft, das Brett war von einem der Surfer dort, den ich gefragt hatte, ob ich es auch mal ausprobieren darf. Es war ein warmer Abend, vielleicht im Juli, die Sonne war schon untergegangen, am Strand war niemand mehr, nur noch die Surfer im Wasser. Ich weiß es noch genau, ich kniete zuerst und stellte dann die Füße auf, drückte mich in den Stand und es war ganz leicht, als hätte ich nie was anderes gemacht, es war genau im richtigen Moment und die Kraft der Welle unter mir, die mich nach vorne schob, in meinem Kopf gar nichts außer ein gehauchtes wow und dann schrie ich es hinaus.
Auch die anderen Momente, die mir einfallen, haben mit Wasser zu tun. Es wäre gut am Meer zu sein. Ich habe noch 40 Urlaubstage. Wenn nicht fliegen und nicht Ausland, es ist ja auch Corona, zumindest noch in meiner Welt, zwei Wochen Nordsee vielleicht? Eine kleine Ferienwohnung, Anreise per Bahn, das ginge doch. Wie immer fürchte ich die Einsamkeit. Als wäre ich hier weniger allein als dort.
Im Seminar am Wochenende hat sich wie erhofft etwas geöffnet. Der Trainer arbeitet wie damals der Heiler in Neuseeland. Die Brust ist weiter, die Haltung offen, mein Stand stabiler, bis Montagabend. Gestern und heute wieder in mich zusammengesackt. Die alten Muster und Routinen sind stark. Zwei Wochen am Meer, ja, vielleicht.
Ich möchte keine links setzen, weil es sich nicht passend anfühlt verlinkt zu sein, verbunden mit der Welt. Der Text und Musik - es läuft I heart Sharks - berühren etwas in mir, eine Erinnerung ans Leben. Ans Schreiben auch. Früher habe ich geschrieben an Tagen wie heute.
Lang geschlafen und trotzdem zu kurz. Um 12 Uhr war Mittelbautreffen, um 14 Uhr Institutsversammlung. Vor zwei Jahren fühlte ich mich dort bloß gestellt und seither bin ich nervös bei jedem dieser Treffen, besonders, wenn ich etwas präsentieren muss oder will, so wie heute.
Es lief alles gut, sogar positive Rückmeldungen und anschließender E-Mail-Austausch mit einer neuen Kollegin. Danach dann aber nicht: Mittagessen nachgeholt, draußen gewesen, spazieren, oder aufgeräumt, Haushalt, Ablage, sondern im Internet versumpft. Youtube vor allem und dann auch noch Facebook.
Dort war ich auch lange nicht. Auf der Startseite hauptsächlich posts von meinen Freunden in Neuseeland. Ich klicke sie durch, lese nach, gehe dann auch auf die Seite von KM, um zu schauen, ob es inzwischen ein Update gibt, vielleicht ein Foto von seiner neuen Freundin. Es sind aber immer noch die alten Bilder von vor zwei Jahren.
Dann lande ich auch bei St, natürlich.
Später sitze ich in der Küche, weiterhin unfähig zu essen, obwohl ich sogar mit dem Kochen anfange, Nudeln koche, eine Zweibel schneide. Ich telefoniere kurz mit M, wir geben es dann aber wieder auf. (Ich weiß grad nicht, ob wir uns gut tun, ich bin down, keine Energie für gute Stimmung, du? - Nee, leider auch nicht und ich will gleich noch raus. - Also dann, bis nachher vielleicht nochmal? - Ja. Bis dann. Alles Gute dir.)
Dann lese ich auf dem Handy in den alten Lieblingsblogs, vor allem bei hotelmama.it, wo der Text im newyorker verlinkt ist.
Jetzt ist schon nach 23 Uhr. Immer noch nicht Mittag gegessen, die geschnittene Zwiebel auf dem Brettchen riecht scharf.
Es ist seltsam hier in meinem alten Leben nachzulesen. Ich wundere mich, dass das in Neuseeland auch mein Leben war, dass das dazu gehört, und das in Spanien, überhaupt all die Reisen, mal hier und dort erwähnt.
Damals noch ohne Scham umhergeflogen, viel getrampt, das auch, und mehrere Flüge im Jahr.
Diese Woche hat E. geschrieben, ob wir bald wieder telefonieren. Sie lebt immer noch in Spanien, wo ich manchmal katzensitten war, aber in einer anderen Wohnung, die ich noch nicht kenne, und ohne Rob. Ich war nicht da seit er gestorben ist. Und auch nur zwei, dreimal telefoniert in den letzten Jahren.
Letzte Woche hatte ich darüber nachgedacht, nach Spanien zu fliegen. Es war immer mein Zufluchtsort, wenn ich mit mir allein sein wollte, aber im Guten. Innehalten, mich auseinandersetzen mit mir (naja, und auch das ein oder andere Abenteuer durch Begegnungen, wie mit dem Wolf am Hafen oder, ganz früher, auf Partys in Barcelona).
Es fühlt sich nicht richtig an. Nicht nur wegen Klima und Krieg und es mir vermessen vorkommt, alles auszublenden und in gute Orte der Vergangenheit zu reisen. Auch weil es nicht mehr zu mir passt, vielleicht.
Ich wäre gerne mit mir in Kontakt und noch lieber würde ich herausfinden, was wirklich - wirklich - mein Ding ist. Was mich erfüllt. Was mich sprachlos macht, weil ich ganz, ganz im Jetzt bin. Verbunden mit mir UND der Welt.
Mir fällt als erstes ein, wie ich damals in der kleinen Bucht, wo auch der Wolf auf seinem Hausboot wohnt, zum ersten Mal auf dem Surfbrett stand. Ganz unverhofft, einfach aufgestanden und die Welle gesurft, das Brett war von einem der Surfer dort, den ich gefragt hatte, ob ich es auch mal ausprobieren darf. Es war ein warmer Abend, vielleicht im Juli, die Sonne war schon untergegangen, am Strand war niemand mehr, nur noch die Surfer im Wasser. Ich weiß es noch genau, ich kniete zuerst und stellte dann die Füße auf, drückte mich in den Stand und es war ganz leicht, als hätte ich nie was anderes gemacht, es war genau im richtigen Moment und die Kraft der Welle unter mir, die mich nach vorne schob, in meinem Kopf gar nichts außer ein gehauchtes wow und dann schrie ich es hinaus.
Auch die anderen Momente, die mir einfallen, haben mit Wasser zu tun. Es wäre gut am Meer zu sein. Ich habe noch 40 Urlaubstage. Wenn nicht fliegen und nicht Ausland, es ist ja auch Corona, zumindest noch in meiner Welt, zwei Wochen Nordsee vielleicht? Eine kleine Ferienwohnung, Anreise per Bahn, das ginge doch. Wie immer fürchte ich die Einsamkeit. Als wäre ich hier weniger allein als dort.
Im Seminar am Wochenende hat sich wie erhofft etwas geöffnet. Der Trainer arbeitet wie damals der Heiler in Neuseeland. Die Brust ist weiter, die Haltung offen, mein Stand stabiler, bis Montagabend. Gestern und heute wieder in mich zusammengesackt. Die alten Muster und Routinen sind stark. Zwei Wochen am Meer, ja, vielleicht.
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