Freitag, 10. Februar 2017
Was schön war [KW 4]
Positive Rückmeldungen zu zwei eingereichten Arbeiten. Eine trägt den Kurztitel Wecker. Auf beide Arbeiten bin ich ziemlich stolz.

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Bekomme eine Urkunde verliehen und sehe dabei extrem angemessen gut aus, war nämlich noch Bluse und Blazor kaufen, bei der Bluse beriet mich Rieke, die ich spontan in der Stadt traf, beim Blazor die schöne Sängerin. So schick war ich lange nicht.

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Ich leite mehrere Seminarsitzungen und fühle mich trotz knapper Vorbereitungszeit kompetent, bin in meinem Element, und wenn ich was nicht weiß, auch ok.

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Der lustige Traum von PK und das gemeinsame Einschlafen mit ihr, davor sitzen wir lange am Küchentisch einer fremden Wohnung und ich weine wegen A.
Bitte PK, sag mir, dass du die Trennung damals nicht bereut hast, und dass alles gut wird.
PK antwortet: Das sind jetzt aber zwei verschiedene Dinge. Ich habe die Trennung oft bereut. Und natürlich wird alles gut.

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Was schön war [KW 5]
M. ruft an und sagt, dass G. ihn angerufen und ihm mitgeteilt hat, er hätte Konzertkarten für William Fitzsimmons im Radio gewonnen, war eben auf Sendung. Der Witz ist: G. hat auch schon Karten gewonnen. M. fragt mich, ob ich auch mitkommen mag.
Was macht der denn so für Musik?, frage ich. Fitzsimmons, nie gehört.
Wird dir gefallen, sagt M.
Und so steige ich am nächsten Tag in den Zug und höre dem bärtigen Mann mit Gitarre und Holzfällerhemd zu und finde ihn sehr lustig: Here's a song about Cologne, it's called Pittsburgh.

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KK lobt mich für eine Textarbeit eine Stunde lang in den Himmel. Der Ausschnitt ist 20 Seiten lang, auszusetzen daran hat KK ein falsch gesetztes Ausrufezeichen. KK sieht seine Aufgabe offensichtlich darin, mich zu bestärken, und das macht er engagiert. Ich verlasse die Universität mit glühenden Wangen, was nicht am Wein liegt, der ist noch zugekorkt in meinem Rucksack, den trinken wir gleich bei S., sondern daran, dass ich KKs Lob einfach annehmen kann, und, das ist noch besser: meine Schreibarbeit dadurch nicht beeinflusst werden wird, ich mache mit stoischer Freude weiter wie bisher, habe ich mir fest vorgenommen.

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Zwei Prüfungsgespräche erfolgreich selbst gesteuert und dabei noch etwas Mutiges offenbart, ein Projekt, über das ich schon länger nachdenke, und mir bisher nicht zutraue. Daran wird sich in naher Zukunft nichts ändern, aber es einmal auszusprechen, fühlt sich gut an.

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Meiner Jugendfreundin H. nachts zum Geburtstag angerufen, die ist bestens gelaunt und reicht mich alsbald an einen weiteren gemeinsamen Jugendfreund weiter. Der ist immer noch sehr nett und höflich und zuvorkommend und brav und ich merke wieder, wie richtig es war, ihn damals nicht zu küssen, bzw. geküsst haben wir uns ja einmal vor x Jahren, ich sturzbetrunken und er immer noch zu schüchtern, da hab ich ihn mir halt mal geschnappt, es gibt ein Foto davon, auf dem er die Augen geschlossen hält, ganz helle Augenlider hat er, die sehen genießend aus, alles an ihm sieht genießend aus, genießende, helle Augenlider, aber von mir gibts noch einige andere Knutschbilder in dieser Nacht, also sagen wir: ihn nicht wieder zu küssen. Das war gut, ja.

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Donnerstag, 26. Januar 2017
Was schön war [KW 2]
Frühmorgens in die Küche schlurfen und mit einem erschrockenen "Noch niiiicht" wieder rausgeschickt werden. Später ein Ständchen mit Gitarre, zu dritt stehen sie nebeneinander und lachen, weil der Mittlere so schräg spielt und es auch mit dem Kanon nicht recht klappt. Auf dem Tisch ein bunter Blumenstrauß, das hübsche Kaffeegeschirr von Rikes Oma, der phantastische Apfelkuchen, der gestern schon durch die Wohnung duftete, und Kerzen zum Auspusten.

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Der nächtliche Spaziergang mit der schönen Sängerin durch die für mich immer noch unbekannte Stadt, sie zeigt mir die netten Ecken, obwohl sie auch nur 7 Tage länger hier lebt, wir stapfen durch Wald und Kircheninnenhöfe, und dann: der Anruf von A.

A. ruft an, nochmal an, den ersten Anruf hatte ich traurig verpasst, aber dann schrieb er eine Sms, dass er es weiter versuchen würde, ich wartete klopfenden Herzens und A. rief wieder an, und vielleicht hätte er sogar noch ein drittes Mal angerufen, A., der nicht vorbei kommen würde, den ich nicht eingeladen hatte, nicht einladen konnte, A. und ich mussten es jetzt irgendwie alleine schaffen mit dem Leben, aber er rief an und wir redeten und lachten und vielleicht weinte ich auch ein bisschen, und ich wusste wieder, dass er immer da sein wird, nur anders.

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Lieblingsmenschen kommen mich besuchen, für eine Nacht. Sie nehmen weite Wege auf sich, der kürzeste knapp unter 300, der längste über 600km, ohne mit der Wimper zu zucken, ohne überhaupt nur darüber nachzudenken, ob das vielleicht unverhältnismäßig ist. Sie packen ihren Schlafsack ein und steigen in den Zug, Geschenke sind schon mit der Post vorausgeschickt, im Stundentakt hole ich sie vom Bahnhof ab, und zeige mein neues Zuhause, dann gehen sie auch schon einkaufen für die Nacht, ich darf mich nochmal einrollen im Bett, weil ich krank bin und müde, konnte ich vor lauter Aufregung doch kaum schlafen in der Nacht zuvor, und dann wird gekocht und gewerkelt in der Küche, in einer Stunde zaubern fünfzehn Menschen in Kleinteams ein Wahnsinnsbuffet, ich wusle nur so rum und reiche Küchengerätschaften und verteile Sekt und so feiern wir mich und meinen Geburtstag, und später findet sich ein Schlafplatz für jeden, weil meine tollsten Mitbewohner von allen zusammenrücken. Ich schlafe ein in wohliger Geborgenheit, wohlwissend, dass, wenn ich aufwache, die meisten noch hier sein werden, und mich in der Küche zum Frühstück empfangen.

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Wie S. unerwartet einen meiner Texte vorliest in kuscheliger Sofarunde, wie Gelächter aus den Ecken hervorgluckst, wie S. an den richtigen Stellen Pausen macht und wie seine Stimme mitlächelt, und wie dieser Text plötzlich einen Witz und eine Dynamik bekommt, die mich selbst beim Schreiben nur leise anhauchte, wie ich es genieße, dass meine Worte, meine Sätze uns so fröhlich stimmen können.

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Wie M. meiner Freundin PK in der Küche Charleston beizubringen versucht und sie ihm Steptanz zeigt; wie PK und der Professor über Neoliberalismus und Erziehungsmuster sprechen, sich gegenseitig befeuern, endlich mal wieder einen würdigen Gesprächspartner gefunden haben - beide bestechen durch Wissen und Eloquenz, es ist toll.

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Montag, 23. Januar 2017
Was schön war [KW 1]
Die aufgekratzten Leute an der Plaça Espanya beobachten, wie sie herbei springen, Plastiktütchen mit Trauben in der einen, Sekt in der anderen Hand, wie sie auf die Fuentes starren, wie sie alle da sind, Alte, Junge, Familien, im Smoking und Minirock und Jogginghosen. Wohin ich mich auch drehe, bunte Grüppchen. Ich scheine als einzige allein gekommen zu sein. Setze mich auf den Bürgersteig am gesperrten Kreisverkehr, der junge Mann neben mir fragt, ob ich Schriftstellerin sei, mein Tagebuch liegt auf meinem Schoß, wir kommen ins Gespräch. Er kommt aus Indien, stellt mir seine komplette Familie vor, kurz vor Mitternacht verabschiedet er sich und ein jeder gibt mir die Hand.

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Der spontane Nachtspaziergang mit dem Wolf, meiner Bekanntschaft vom Meer. Ich rufe ihn aus einer plötzlichen Eingebung heraus an. Er sei schon im Pyjama, sagt er. Ob wir uns direkt auf seinem Boot treffen wollen, fragt er.
Können wir auch spazieren gehen?
Como tu quieras.
Ich warte in der Bar am Hafen bei einer Tasse Schwarztee auf ihn. 40 Minuten später kommt er durch den Hafeneingang, grinst mich durch die Glasfront an, wünscht den Kellnern ein frohes Neues, umarmt mich, küsst mich, umarmt mich. Er hat sich extra angezogen, geduscht, schick gemacht - wie sich ein Wolf eben schick macht, mit verwuscheltem Haar und Bartstoppeln, zerrissener Jeans.

Beim Spaziergang auf der Hafenmauer erzählt er, wie viel er in letzter Zeit liest, wie er sich für Philosophie interessiert, und vor allem Nietzsche, über den wir uns im letzten Jahr unterhalten hatten. Und Nietzsche weinte hat er aber noch nicht gelesen, das schenke ich ihm das nächste Mal. Er erzählt auch von einem Platz oben am Berg, von wo aus man auf die ganze Stadt schauen kann, den Hafen und alles, die gesamte Küste, bis Barcelona.
Da musst du unbedingt noch hin, sagt er.
Na denn, gehen wir jetzt, sage ich und er denkt, ich mache Scherze: Das ist total steil, und stockdunkel, und dann die Wildschweine!

Eine Viertelstunde später sitzen wir in seinem Auto, ich habe eine Stirnlampe um den Kopf geschnallt, er ein Taschenmesser in der Hose und wir beide je eine Trillerpfeife in der Jackentasche. Wir biegen direkt am kleinen Strand ab, im letzten Jahr habe ich Wochen an diesem Strand verbracht und nie diesen Weg bemerkt. Er ist zugewuchert, aber im Schein meiner Lampe doch deutlich zu erkennen, wenn man weiß, dass es ihn gibt. Der Wolf bricht sich ein Stück Schilfrohr ab, vielleicht ist es auch Bambus, jedenfalls dick und stabil genug, um als Wanderstock durchzugehen. Wir stapfen los.

Na, bist du schon mal mit einem Wolf alleine nachts nen Berg hoch gestiegen?, fragt er ein bisschen schelmisch und ich verneine, später fällt mir auf, doch, das bin ich, in Andalusien, ist aber schon lange her. Oben zeigt er mir verschiedene Aussichtspunkte mit Blick auf das Meer in unendlichem Schwarz, und dann erst bemerken wir den Sternenhimmel. Der große Wagen direkt über uns, rechts hinten der kleine (im Sommer war er noch viel weiter rechts) und wir stehen lange da, die Köpfe im Nacken, sagen mira! mira! Und: Hier, ein Ufo - eins der seltsamen Worte, die ich auf Spanisch kenne: OVNI.

Wir sprechen über das Alleinsein und unseren Platz in der Gesellschaft, erleben uns beide als Einzelgänger.
Meine Seele ist zu alt für mich, sage ich, und er sagt: nicht alt, reif ist sie, weise. Ihm ist das sehr ernst, er kennt das Gefühl, er war auch mal da, wo ich jetzt bin, das wird mir immer klarer.
Ich erzähle ihm auch, wie mir die politische Situation in Deutschland Angst macht, wir sprechen über Rassismus und Gewalt, auch implizite Machtmechanismen und Deutungsmuster in einfachen Schlagzeilen, alleine das Wort Flüchtling, welche Botschaft das schon transportiert, dieses ling, als erste Verknüpfung fällt mir Hänfling ein, von dem ich immer dachte, er hieße Hempfling, ein ling jedenfalls beinhaltet etwas Herabsetztendes, Unfähiges, etwas Abwertendes, der Feigling, der Wüstling, der Schädling - Vor allem aber eine Verdinglichung, eine Unzahl menschlicher Schicksale zusammengeschrumpft auf ein ling, die ganze Lebensgeschichte, die Biographie, das Wesen des Menschen, Alter, Geschlecht, Beruf, Bildungsstand, worauf wir ja sonst so gerne achten, auch persönliche Stärken, Schwächen, nichts da: ein Flüchtling, alle gleich, abgestempelt, ausgezeichnet mit diesem Status, Punkt. So ist leider auch die Berichterstattung über diese Flüchtlinge, beim Plural muss ich immer an Lemminge denken. Die Nachrichten über geflüchtete Menschen sind differenzierter, und die gehen unter, viel zu sehr, finde ich, und um zur Überschrift zurückzukommen: Schön ist, dieses Gespräch auf Spanisch zu führen, natürlich fehlen mir Worte und Vergleiche, aber der Wolf versteht mich sofort und mühelos.

Zwischenstopp beim Abstieg, Meeresrauschen. Er hört es jede Nacht. Fast wieder unten kommen wir an einem hoch umzäunten Betonbunker vorbei, aus dem surrende Geräusche dringen. Was ist das?, frage ich und versuche mir nicht anmerken zu lassen, wie gruselig ich das finde. Und er sagt: Ach das, da wohnen die ganzen Zombies aus der Gegend.
Mein eigenes Lachen beruhigt mich. Wir waren zwei Stunden unterwegs vielleicht, und sie waren einfach gut. Und das alles nur, weil ich vor ein paar Monaten den jungen Kerl süß fand mit seinen dreckigen Händen und dem schwitzenden Oberkörper, der da an der Werft arbeitete und ihn dann einfach anquatschte.

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Wie sich die kleine M. von mir streicheln ließ. Sie lag neben mir auf dem Sofakissen und unsere Blicke trafen sich, sie beobachtete mich beim Tippen, schaute aber nicht auf meine Finger, sondern in mein Gesicht. Da dachte ich: Scheiß auf die Allergie, kannst ja nachher Hände waschen, und kraulte sie am Nacken. Sie fing unmittelbar an zu schnurren, ein Geräusch, das ich von ihr noch nie gehört habe - aber ich hab sie ja auch noch nie gekrault - und sie versuchte sich ganz klein zu machen, ganz einzurollen in diese wohlige Geborgenheit und ich strich mit meiner großen Hand um ihren Körper, sie versuchte tatsächlich sich richtig reinzufügen, hineinzupassen in diese Hand und hob die Pfötchen unter’s Kinn, und hob dann ein Pfötchen hoch, damit ich geradeso mit zwei Fingern durchpasste, um sie am Hals zu kraulen, das fand sie großartig, und ich auch.

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Das Telefongespräch mit Papa am 1. Januar. Ich soll einen Text abgeben, er wird Teil einer kollektiven Kindheitsgeschichte. Um kurz nach 23 Uhr, also eine Stunde vor Abgabetermin, rufe ich meinen Vater an, um ihn nach der Wohnungseinrichtung von vor 25 Jahren zu fragen. Er liegt schon im Bett und beantwortete mir alles (Und aus welchem Material war die Decke im Klo?/Und welche Deko stand auf der Fensterbank?), ohne sich zu erkundigen, warum ich das überhaupt wissen will. Wir ergänzen jeweils unsere Erinnerungen, es ist ein gemeinsamer Flow, der seinen Höhepunkt erreicht an der Stelle, als mein Vater sagt: Und die Badewanne war bahamabeige.

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Der Ofen im alten Steinhaus am Hang, in dem ich diese Woche verbringe. Feuer machen. Es am Laufen halten, mich ihm zuwenden, zufächern, zuschauen, es so sehr schätzen im kalten Haus, mich sorgsam um es kümmern.

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Das Abschiedsabendessen mit E. & Rob im Hafen, unsere Gespräche über's Älterwerden. E. wird gerne älter, E. mag das Leben mit all seinen Verwicklungen und Entwicklungen. Rob und ich haben dieses Jahr einen runden Geburtstag und er wird genau doppelt so alt, wie ich. Wir können es beide nicht recht glauben. Wir sitzen unter'm Heizstrahler, Rob hustet, E. niest, ich ziehe den Schal enger um meinen Hals, wir sind alle erkältet, der Kellner kommt und fragt mich krächzend nach meiner Bestellung, ich bekomme vegetarische Nudeln, die nicht auf der Karte stehen, aber köstlich sind, und alles ist gut in diesem Moment.

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Zurück in D. mit M. sehr, sehr spontan ins Kino gehen, Paterson. Ein sanfter, poetischer Film mit ausdrucksstarken Bildern, die Handlung lässt sich in drei Sätzen zusammenfassen und trotzdem passiert so viel, natürlich. Genau mein Tempo. Genauso wie die Fahrt durch die eiskalte Nacht auf meinem Lieblingsgefährt, M's altem, weißglänzenden Klapprad, ohne Gangschaltung, ich trete die Pedale nur so durch, wir nennen es liebevoll Bunny Hop!

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