Donnerstag, 16. Mai 2019
A
A hat mir eine Nachricht geschickt.

Krishna Das - Sri argala stotram (selected verses)
Sehr schönes Lied. Generell vom Sänger..


A immer mit seinen zwei Pünktchen am Ende. Ich suche das Lied im Internet und spiele es ab. Wenn A mal stirbt, muss ich plötzlich denken. Ich überlege mir, was ich sagen würde über A, wenn er mal stirbt.

Ich würde sagen, A war die Liebe meines Lebens.
Das würde vielleicht kurz blöd sein für seine Frau, vielleicht auch für seine Tochter, obwohl die jetzt noch sehr klein ist.

A war die Liebe meines Lebens, würde ich trotzdem sagen. Ich würde kurz überlegen, ob ich nicht zu jung war, um so etwas zu sagen, aber "die Liebe meines Lebens" ist diese romantisch-verklärte Vorstellung, die mit heiraten und Familie gründen in Verbindung steht und das war es ja, wofür A in meinem Leben stand. A war der Mann, neben dem ich mich altern sah.

Ich würde nicht sagen, dass A mein bester Freund war oder mein Seelenfreund, denn so ist es ja nicht. Das ist ja M.

Als ich unsere Liebesbeziehung damals beendete, als wir Schluss machten, dachten wir, jetzt ists vorbei mit der Liebe. Der Trennungsprozess zog sich hin. Wir hielten nämlich an der Liebe fest, der A noch mehr als ich, A wollte ja damals, als ich nach dem dritten Mal Sex ungewollt und laut Ärztin schwanger war - was sich noch am selben Abend als Irrtum herausstellte, aber das ist eine andere Geschichte - das Kind sehr gerne bekommen. A wusste ziemlich genau von Anfang an, dass ich auch die Liebe seines Lebens war.

Und während wir zusammen lebten, all die Jahre, war das ja auch gut. Die anderen heirateten und kriegten Kinder und bauten Einfamilienhäuser (A baute sogar auch eins) und ich merkte irgendwann, dass ich mein Leben nicht mit A verbringen konnte, nicht in dieser Form. Ich musste raus, ich musste wachsen und lernen und sehr viel mehr leben, als dieses eine Liebesleben.

Wir gestalteten die Trennung in Etappen. Erst zog ich aus unserer Wohnung aus, eine Straße weiter. Wir begegneten uns nur einmal zufällig auf der Straße danach, was kurios ist, in der Kleinstadt. Er und unsere gemeinsamen Freunde halfen beim Umzug, ich weiß noch wie sein Schulfreund im obersten Stock an der Treppe saß und Gitarre spielte, sodass es durch das ganze, lange Altbautreppenhaus hinunterklang.

A und ich gingen aber noch gemeinsam zum Tanzkurs. Das war komisch für die anderen. Getrennt oder nicht, ja was denn? Für uns war das gut. Kein Kontakt, aber Dienstagabend tanzen und danach gemeinsam nach Hause laufen, er brachte mich zur Tür, dann ging er eine Straße weiter.
-Das ist aber nicht gesund, sagte man, und: die brauchen doch mal Abstand.
Ja. Später zog ich in einen anderen Stadtteil, noch später aus der Stadt. Wir machten halt alles etwas langsamer. A blieb in der Wohnung bis er ein paar Jahre später mit seiner neuen Freundin zusammenzog, sie ein Kind bekamen und heirateten.

Als er mir davon erzählte, wir saßen in der Bahnhofskneipe bei Bier und Kerzenschein unserer alten Stadt, heulte ich Rotz und Wasser, die ganze Nacht hindurch, und A heulte mit, und reichte mir sein angerotztes Taschentuch. Es war ein neuer Schritt des Loslassens, ich glaube, wir weinten sowieso bei jedem Schritt. Und jeder Schritt war gut. Wir ließen die Liebe als Liebespartner los. Die Liebe als Menschen behielten wir.

Als ich Jahre später nach Neuseeland zog - und weiter weg ging dann ja wirklich nicht mehr - telefonierten wir einmal wöchentlich, immer mittwochs, wenn ich von meiner Meditationsfreundin nach Hause lief, eine Stunde. Er erzählte viel vom Kind, vom Vatersein, vom Zweitstudium, das er aufgenommen hatte, vom Leben in der Großstadt. Ich erzählte vom Englischlernen, meinen Abenteuern. Über unsere neuen Liebespartner redeten wir kaum. Ich wusste aber, dass er sie liebte, sie und seine Tochter, und er wusste, dass ich mich nicht für C, der ihm so ähnlich war, sondern für KM entschieden hatte.

Für unsere neuen Partner war das manchmal schwierig, glaube ich, die Verbindung die wir hatten. Es gab aber keinen Grund zur Eifersucht. Wir wollten uns als Liebespartner nicht zurück. Ich liebe A, als Mensch, und nachdem ich verstanden hatte, dass ich diese Liebe nicht aufgeben muss, nur weil mir kein Paar mehr sind, fühlte ich mich sehr befreit.

Vielleicht werden wir sogar nochmal ein Paar in zehn, fünfzehn, fünfundzwanzig Jahren. Das kann ich mir gut vorstellen, dass unsere Wege in dieser Form noch einmal zueinander führen. Vielleicht aber auch nicht. Ich werde nicht in seine Ehe reingrätschen, er wird das bei mir auch nicht tun. Und seit vielen Jahren ist es gut so wie es ist.

Als ich mich in M verliebte, erzählte er mir von seiner Exfreundin R. Er sagte: Du musst wissen, da gibt es die R in meinem Leben. Wir waren lange ein Paar, ich liebe die R, die R liebt mich, wir haben Kontakt, hier ist der Karton mit den gesammelten Briefen, die R kommt manchmal zu Besuch, und die R gehört für immer zur Familie.
Ich dachte zuerst, hm ja, das ist bisschen schräg und dann dachte ich, ok, er liebt die R, die R liebt ihn, und die R gehört zur Familie.
Als die R und ich uns trafen, waren wir uns nicht sehr sympathisch, aber so what, die R gehört halt zur Familie, kannste nix machen.

Der A gehört zur Familie erkläre ich seitdem den anderen Menschen. Es ist auch egal, ob wir mal eine Weile keinen Kontakt haben, oder wir uns zerstreiten oder was auch immer. Er ist da und bleibt es auch. Und das finde ich sehr, sehr schön.