Montag, 4. Februar 2019
Past. Tense.
Manchmal schaue ich mir Fotos auf Facebook an von meinen Grundschulfreunden, den ehemaligen Nachbarskindern, den Schülerinnen ein paar Klassen über oder unter mir, den Cousins, den Dorfbekannten, und denke: So hätte dein Leben auch aussehen können.

Hätte ich den Absprung nicht geschafft.

Vielleicht wäre ich glücklicher, das dachte ich schon manches mal, ich weinte sogar schon deswegen, auf der Rückfahrt zum Beispiel mit A im Auto, wir waren gerade auf halber Strecke vom Dorf, aus dem ich geflohen war, in die Unistadt.
Die wissen, wo sie hingehören, die haben ihren sicheren Platz, der Weg ist vorgezeichnet, alles klar, Heirat, Kinder, Eigenheim, einen überdachten Garagenstellplatz und den Job die nächsten 40 Jahre.

Ich hatte: 16 Semester auf dem Buckel (oder warens da schon 20?), einen 10 Jahre alten Laptop als (materiell) wertvollsten Gegenstand (und dementsprechend Geldsorgen), das dauerhafte Gefühl nirgends zuhause zu sein, nirgends sicher, nirgends geborgen, die Sprache des Dorfes hatte ich verlernt, die universitären Codes blieben mir noch immer ein Rätsel (dabei lehrte ich da vielleicht schon selbst), ich hielt Ehe für spießig und Kinder für Stress, wollte - und lebte - Freiheit, Reisen, sehr viel Lieben und Bildung über alles. Bloß: die Ungewissheit, die nagende, und all die proletarischen Sorgen.

A reagierte übrigens recht schroff, das weiß ich noch. Ich weinte bitterlich bis zur Schwäbischen Alb, dann gings wieder.